Innrain 41
A-6020 Innsbruck
Tel. +43(0)512 563761
MI-FR 16 - 19 Uhr
SA 11 - 13 Uhr
 
 

29.04. – 24.05. Lois Salcher & Sergio Sommavilla – Malerei, Skulpturen

Die Galerie Nothburga lädt ein zur Ausstellung

LOIS SALCHER -  SERGIO SOMMAVILLA
Malerei  Skulpturen

VERNISSAGE:  Dienstag, 29. April  2014,  19 Uhr
ERÖFFNUNG:   Univ.Prof. Dr. Bernhard Braun     
KURATION:       Anna Maria Achatz
DAUER DER AUSSTELLUNG:  30.04. – 24.05.2014
MI – FR: 16 – 19 UHR      SA: 11 – 13

Lois Salcher
Lois Salchers Kunst streckt ihre Wurzeln zumindest bis in die romantische Landschaftsmalerei aus und hat bis heute ihren Bezug zu einer unmittelbaren Anschauung der Natur nicht preisgegeben. Die Reduktion, verstanden als Rückführung auf das Wesentliche, hat zu den hier gezeigten Figurationen geführt.
Lois Salcher selbst nennt seine Arbeitsweise einen Dialog mit den Farben, die anstelle von abgebildeten Gegenständen der sichtbaren Außenwelt zu Hauptakteuren seiner Bilder erhoben werden.
Sein malerisches Können äußert sich nicht im Grandiosen und Spektakulären, sondern im Gespür für die leisen Töne, die feinen Nuancen, in der scharfen Beobachtung des Verborgenen und Hintergründigen – dessen, was scheinbar immer schon da ist, aber nur dann ans Licht gelangt, wenn es durch einen großen Künstler wahrgenommen und beseelt wird. (Rudolf Ingruber )

Sergio Sommavilla
Der Bildhauer Sergio Sommavilla hat sich nun schon über  Jahre hinaus der Darstellung von Köpfen verschrieben. Er fertigt sie in seiner ureigensten, reduzierten Formensprache in unterschiedlichen Größen aus Keramik, Holz und  verschiedensten Gesteinsarten wie Basalt, Sand- und Kalksteinen sowie Marmor, auch lässt er in Bronze gießen.
Beim Betrachten der Köpfe fällt bei aller Unterschiedlichkeit ihr klassischer Charakter auf, der von der Ausstrahlung her archetypisch wirkt, die Urform des Seienden anstrebt.
Ihr Blick ist nach innen gewendet. Sie ruhen in sich selbst,  sind meditativ.
Sie sind nicht bloßes Anschauungsobjekt, sondern fungieren als Medium, lassen den Kontakt zu uns nicht abreißen. Im Dialog zwischen Betrachter und Werk können sie eine Spiegelfunktion einnehmen, wenn wir es zulassen.( Marlies Lüdtke)
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Eröffnungsrede von Univ. Prof. Dr. Bernhard Braun


Malerei – Skulpturen

Lois Salcher und Sergio Sommavilla
Galerie Nothburga, Innsbruck

Meine Damen und Herren,
der Titel dieser Ausstellung klingt ein wenig belanglos, gerade so als ob zwei Künstler zufällig zusammentreffen, um ihre Arbeiten der letzten Jahre nebeneinander zur Schau zu stellen. Doch ein Blick in diese Räume der Galerie belehrt einen eines Besseren. Hier findet ein spannender Dialog statt, geerdet – so pathetisch kann man dabei werden – mit dem ganzen Gewicht von tausenden Jahren Kunstgeschichte.
Sergio Sommavilla stellt sich mit seinen Skulpturen in die jahrtausende alte Tradition der Porträtkunst, die stets – je nach philosophischer Leitkultur – zwischen Naturalismus und schematisierendem Idealismus schwankte. Auf welcher Seite Sommavilla steht, ist unschwer zu erkennen, seine Porträts sind nicht leicht zugänglich, sie erschließen sich nicht einem schnellen, nur streifenden Blick. Sie schaffen vielmehr Abstand und Distanz, erscheinen häufig introvertiert und sie zitieren das kulturübergreifende Ringen um die Darstellung des menschlichen Gesichts. Es gibt Köpfe, die an die so ausdrucksstarke Formensprache neolithischer Künstler erinnert. Es war die stupende an Giacometti und Brancusi erinnernde Modernität dieser kleinen magischen Gesichter und Figuren mit den gelängten Proportionen aus der Steinzeit, die den Künstler in den einschlägigen Museen in seinen Bann zog und ihn für das Thema sensibilisierte. Es sollte das Thema seines Lebens werden.
Andere Köpfe erinnern an mesopotamische und ägyptische Porträts, bei denen das Ideale in das Material der Unendlichkeit, den Stein, geschlagen wurde. Das In-sich-Ruhende wird ebenso thematisiert wie eine zaghafte Expression, bei der man unwillkürlich an die Manie Alexej Jawlenskys denkt. Andere Skulpturen wiederum konnotieren die mit magischer Kraft aufgeladenen Exponate afrikanischer oder südamerikanischer Eingeborenenkunst.
In gewisser Weise umkreisen Sommavillas Köpfe zudem das große Thema der Ikone, ihre „falsche“ Proportion, die antirealistischen symbolischen Farben, das stetige Ringen um einen Naturalismus, wie er in den zaghaften sogenannten Renaissancen der spätbyzantinischen Zeit manchmal anklingt, aber niemals so stark wird, dass der Gestus der Feierlichkeit verloren geht. Die Porträts bleiben distanziert, respektheischend, meditativ. Sie erscheinen geradezu als zeitentrückte Enklaven, die sich dem heute so verbreiteten kumpelhaften Du der Spaßkultur verweigern. Aus ihnen spricht eine Obsession des Künstlers, sich am menschlichen Ausdruck abzuarbeiten, vielleicht auch eine ambitionierte philosophische Suche nach dem, was man – ebenso zeitentrückt – das Wesen des Menschen genannt hat. Sommavilla verfolgt diese Lebensaufgabe – ab und zu unterbrochen durch Ausflüge in die Tierwelt mit seinen sogenannten Erdtieren – nicht nur von den erwähnen vielfältigen Formensprachen her, sondern auch von einer schier unüberlickbaren Mannigfaltigkeit von Materialien, die von Holz über Terracotta bis zu allen möglichen Arten des Steins reichen. Der Reiz des unterschiedlichen Materials ergibt sich für Sommavilla aus der Zwangsläufigkeit, dass nicht jedes Material zu jedem Ausdruck passt.
Obsessionen sind – wörtlich – Besitzergreifungen, ja Umzingelungen und Einschließungen. Besonders an diesem Begriff misst sich eine das Verhältnis von Künstler und Kunst charakterisierende Frage: Ereignet sich Kunst erst dort, wo sie sich im Künstler selbst gestaltet? Sergio Sommavilla experimentiert mit kleinen Skizzen in seinen Skizzenbüchern und setzt aus seiner Sicht gelungene Entwürfe in die Skulptur um. Dann aber ist es nicht mehr der Künstler allein, der den Ausgang des Projekts bestimmt: „Ich schaue, was das Material mir sagt“, bemerkt Sommavilla dazu.
Beide Künstler des heutigen Abends lassen diesen Dialog zu, in dem sie manchmal die Kontrolle verlieren und es mit sich geschehen lassen. Sommavilla erzählt gerne von seinem Lehrer an der Kunstschule in St. Ulrich, Luis Piazza, der immer, wenn das Hämmern des Meissels in der Werkstatt zu laut wurde, einschritt und meinte, es dürfe nicht zu viel Lärm geben bei der Bildhauerei; auch die Arbeit selbst müsse meditativ verlaufen.
Auch Lois Salcher – ausgestattet mit dem Vorteil des ruhigeren Arbeitsgerätes Pinsel – setzt sich dem Kairos, dem glücklichen Augenblick, aus, vertraut auf ihn und versteht den Akt des Malens als meditatives Ereignis. Er geht von der Farbe aus und exponiert sich der intensiven Farbflächen, aus denen wie aus einer „Ursuppe“ Dinge entstehen. Salcher lässt es mit sich geschehen, dass die Farbe in der Spannung mit der Fläche ihren Eigenwert entfaltet und zu formalen Gestalten drängt. Ein wenig erinnert das an den Spruch des Renaissancephilosophen Giordano Bruno von der eductio formarum ex materia, dem Herausquellen der Formen aus der gebärenden Materie. Zu dieser gebärenden Materie wird jetzt die Farbe, die durch ein mehrfaches Übereinanderschichten abgründige Tiefe und eine geradezu körperhafte Dimensionen gewinnt. Die Bilder Salchers suchen gleichsam den Dialog mit den ikonenhaften Skulpturen, die Sommavilla auf das Zweidimensionale zu reduzieren scheint. Es geht aber bei Salcher nicht um eine illusionistische Perspektive, sondern um die erlebbare Tiefe eines geheimnisvollen Raums.
Beide Künstler treffen sich in der Nähe zur Ikone. Freilich wird die Künstlerpersönlichkeit in beiden Fällen zur Mitspielerin, aktives Gestalten und passives Nachvollziehen geraten ineinander. Das ist die Spannung der Moderne, die das Mittelalter so nicht kennen wollte.
So wie die Vielfalt der Formgebungen bei Sommavilla ruft bei Salcher die Kraft der Farbe einen gigantischen Speicher der Erinnerung ab, aufgeladen mit Gefühlen und Emotionen: „Die Malfläche ist ein Speichermedium für meine Gedanken und Gefühle“, sagt er dazu. Dieser Erfahrungsschatz speist sich vor allem aus einem langen und intensiven Zusammenleben des Osttiroler Künstlers mit der Natur. Die Assoziationskette reicht von den Naturerscheinungen über den Rhythmus des bäuerlichen Lebens bis hin zur bestimmenden Konstante eines von der Kirche geprägten Jahreszyklus. Man findet Grate und Gipfel, Horizonte, das Gleissen der Sonne, die Erdscholle des Ackers, das Grün der Alpenwiesen, das Flirren der Luft, das Gold der Getreidefelder – oder ist es vielleicht das goldige Glitzern der religiösen Sinnlichkeit in den barocken Landkirchen? Man findet Kreuze, das Quadrat und Dreieck, die Vertikale und Horizontale. Die Figuren bleiben amorph und archetypisch. Dieser Satz passt genauso zu Sergio Sommavilla. Die beiden künstlerischen Positionen zeigen die Ambivalenz dieses Archetypischen: Geben bei ihm die Skulpturen – erratisch auf einen Sockel gehoben – geradezu herrisch dem Raum eine Richtung, tauchen die Figuren bei Salcher aus dem farbigen Untergrund auf, um gleich wieder zu verschwinden. Sie determinieren nichts endgültig, sondern bleiben offen für vielfältige Kontextualisierungen.
Solche Bilderwelt kann bei beiden Künstlern mit Fug und Recht als Arbeit an der Erinnerung angesehen werden, ihrer eigenen und derjenigen der Betrachterinnen, was wiederum stets Teil einer kulturellen Erinnerung ist. Man kann – wie gesagt – in dieser Erinnerungsarbeit viele Bezüge zu den Biographien der Künstler und den Themen der lokalen Kultur entdecken. Aber Gipfel und Horizont, die Schwingung des Wassers und das Atmen der Luft, das sind auch Chiffren, die jedes einzelne unserer Leben kennzeichnen. Die Offenheit des Horizonts, abstrakter: das Horizontale etwa, markiert die Zukunft und gibt uns immer wieder Kraft für einen neuen Anlauf. Gleichzeitig wird dieses Offene – ambivalent dazu – zur beängstigenden Chiffre einer Orientierungslosigkeit, in der wir uns zu verlieren drohen und unwillkürlich nach Halt in der Geradlinigkeit des Vertikalen suchen. Diese Ambivalenz des emotionalen Gehalts ist es, die die Bilderwelten beider Künstler mit so viel Spannung auflädt.
In solchem Kontext ist es wichtig, dass die Arbeiten auch von der handwerklichen Seite her offen bleiben – wie Lois Salcher sagt: eigentlich unfertig! „Gut ist eine Arbeit, wenn sie nicht ganz fertig ist“, meint er und: „man muß früh genug aufhören können! Fertig – das ist nur Tod!“
Was er damit meint ist, dass die Arbeiten nicht zugemalt sind, sondern dem Betrachter Raum lassen für eine jeweils eigene vielfache Leseart. Auch Sergio Sommavilla kennt nie den Punkt, wo eine Arbeit fertig ist, schon eher aber jenen, wo man aufhören muß.
Sommavilla achtet bei der Wahl des Materials auf die Natürlichkeit; im selben Geist greift Lois Salcher auf Pigmente zurück, die er direkt aus der Natur nimmt. Wie der Ikonenmaler benützt er Eitempera und beim Farbauftrag bildet oft eine aquarellähnliche Schicht den Abschluss, die die Farben verfrachtet gerade so wie der heiße Wüstenwind den roten Sand manchmal bis in die Alpentäler weht; oder wie der Regen das Aquarell mit einem verwaschenen Schleier zudeckt. Die Übergänge verschwimmen in einem sfumato und die Textur der Oberfläche bildet eine offene Membrane, die das Werk verletzlich erscheinen lässt, aber damit auch der Betrachterin erlaubt, in die Tiefe einzudringen, um es mit den eigenen Erfahrungen zu bereichern und weiterzuspinnen.
Salchers Bilder sind keine statischen Momentaufnahmen, sie sind in ihrer Offenheit dynamisch-prozesshaft und sie sind synaisthetisch. Ihre Farbwerte klingen auch und man kann vor jedem dieser Bilder stehenbleiben und testen, ob der Klang in die eigene Harmonie einschwingt.
Wenn ich eingangs vom Lastenden der Kunst Sommavillas sprach, was genauso für Lois Salcher gilt, meinte ich genau das: Niemand, der sich auf die Kunst in diesen Räumen einlässt, kann davon ungerührt bleiben. In Salchers Bildern und Sommavillas Skulpturen schaut einem jeden von uns eine ferne eigene Welt entgegen, eine Welt, die über die enttäuschten Hoffnungen, die vielen Verletzungen und Brüche, verklärt erscheint. Die Vergangenheit ist niemals objektiv, sie ändert sich in unseren Bewertungen und Einschätzungen – ein Leben lang. Lou Andreas-Salomé, diese kluge Frau des 19. Jhs., hat die Ikone als einen Behälter der Fragen und Begehren der Betrachter bezeichnet. Das ist eine wunderbare Übertragung der Ikone vom christlich gestimmten Mittelalter in die profane Moderne. Solche Behältnisse haben wir vor uns und wir könnten heute abend die Chance des alten gnoti seauton, der Selbsterkenntnis in diesen Echos unserer Erinnerung nützen.
                                                                                                                                                                                                        © Bernhard Braun  April 2014
 
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